Die Rede von Clara Brombacher auf der Podiumsdiskussion am 22.11.2024
Ich bin Clara Brombacher und heute stellvertretend hier für Fridays For Future Heidelberg. Sie kennen uns wahrscheinlich von unseren Klimastreiks, die wir übrigens nach wie vor regelmäßig organisieren. Die Ortsgruppe in Heidelberg engagiert sich aber seit einigen Jahren auch für den Ausbau der Windkraft in der Region. Denn es ist für unser Hauptziel, Deutschlands baldigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, natürlich von essenzieller Bedeutung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Ich selbst bin Studentin an der Uni Heidelberg, aktuell studiere ich Geographie im 3. Bachelorsemester. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von München, dort gab es vor ein paar Jahren einen Bürgerentscheid zu Windrädern im Wald. In den Wochen vor dem Entscheid flammten in der Bevölkerung heftige Diskussionen auf und es fanden sich dort schnell Bürger:innen zu Pro-Windkraft-Initiativen zusammen. Der Bürgerentscheid fiel zugunsten der Windräder aus – allerdings trotz aller Bemühungen nur knapp. Letzten Herbst bin ich dann hierher gezogen, in die selbsternannte „Umwelt- und Nachhaltigkeitshauptstadt“ Heidelberg. Hier muss es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien doch bestimmt besser laufen als im konservativen Bayern, oder? Naja. Stehen tun sie nicht, aber zumindest sind die Projekte auf dem Lammerskopf und auch hier, auf dem weißen Stein, schon in der Planungsphase. Aber auch in Heidelberg driften die Meinungen in der Bevölkerung auseinander. Dabei ist es für eine schnelle und sozial gerechte Energiewende essenziell, dass umwelt- und klimabewusste Bürger:innen, sich aktiv für den Ausbau der Windenergie in der Region engagieren. Damit das möglich ist, müssen wir jedoch zunächst auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Für uns von FFF steht fest, dass die Abkehr von fossilen Energieträgern und teuren Risikotechnologien wie Atomkraft oberste Priorität hat. Schauen wir uns an, wie der größte Teil unserer Energie bisher gewonnen wird. Nämlich mit Kohle, Öl, Gas, und bis vor kurzem auch noch mit Atomkraft. Von der Lausitz über Garzweiler bis nach Leipzig: durch ganz Deutschland zieht sich eine Spur der Zerstörung, ausgelöst durch den Raubbau von Kohlekonzernen. Jetzt wird über Gasbohrungen im Borkum und am Ammersee diskutiert. Wurden die Menschen in Lützerath zu Podiumsdiskussionen über den Tagebau eingeladen? Wird beim Tagebau in Welzow-Süd auf Artenschutz und Umweltverträglichkeit geachtet? Werden die Bürger:innen am Ammersee von den Gasbohrungen eines kanadischen Konzerns profitieren können? Die Menschen, die in Deutschland für fossile Großprojekte zwangsumgesiedelt werden müssen, die sich mit einer dürftigen Entschädigung abfinden müssen, die sich vor dem Umzug überlegen müssen, ob sie ihre verstorbenen Verwandten ausgraben und mitnehmen wollen – das sind unsere Mitbürger:innen. Wir von Fridays for Future waren dort, in Lützerath, vor dem 2020 in Betrieb genommenen Kohlekraftwerk Datteln 4, in Borkum, und an vielen anderen Orten. Zusammen mit anderen Organisationen haben wir gefordert, das Wohl der eigenen Bürger:innen über die Profite von RWE und anderen Energiekonzernen zu stellen – und mussten dabei zusehen, wie unsere bundesweite Solidarität von Entscheidungsträger:innen gekonnt ignoriert wurde. Das Großkraftwerk Mannheim ist das Steinkohlekraftwerk mit den zweithöchsten CO2-Emissionen in Deutschland. Es ist eines von 106 Kohlekraftwerken, die derzeit in Betrieb sind. Hinzu kommt: Um diese Kraftwerke zu betreiben, reicht die deutsche Kohle bei weitem nicht aus. Einen großen Teil der massiven Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen, die beim Kohleabbau entstehen, lagern wir also in andere Länder aus. Ganz abgesehen von den hohen CO2-Emissionen der Fossilindustrie sollte Politiker:innen doch klar sein, dass von diesem Geschäft nicht die Bürger:innen, sondern nur fossile Großkonzerne profitieren können.
Dem Thema Atomkraft möchte ich heute nicht allzuviel Aufmerksamkeit schenken. Nur so viel: Als Übergangstechnologie ist diese alles andere als geeignet. Neben dem inakzeptablen Risiko, das die Energiegewinnung mit Kernkraft mit sich bringt, sind Atomkraftwerke so teuer, dass sie unter reinen Marktbedingungen nicht rentabel sind, und stets subventioniert werden müssen. Würden wir jetzt anfangen, Atomkraftwerke zu bauen, könnten diese außerdem erst in ca. 10 bis 15 Jahren in Betrieb genommen werden, das gilt auch für die sogenannten SMAs – Small Modular Reactors oder neue Technologien wie Kugelhaufenreaktoren (die ein Vielfaches an schwach radioaktivem Müll hinterlassen) oder Thorium-Reaktoren (welche die Reaktorhülle korrodieren). Die Scheindebatte um Atomkraft wird von konservativen Politiker:innen verwendet, um von ihrem Versagen bei der Energiewende abzulenken, und ihren Anhänger:innen zu suggerieren, dass wir einfach so weitermachen können wie bisher.
Was also bleibt? Die erneuerbaren Energien. Hier im Süden ist v.a. das Windpotenzial noch viel zu wenig ausgeschöpft. Die Bevölkerung ist sich größtenteils einig, dass auch die Rhein-Neckar-Region ihren Beitrag zur Energiewende leisten muss, und WEA installiert werden sollten. Fridays For Future Heidelberg vertritt auch zu der Frage, wo die Anlagen gebaut werden sollten, eine klare Position: Wir brauchen Windräder auf den Höhenzügen des Odenwalds! Windräder in der Rheinebene rentieren sich deutlich weniger als Windräder auf dem Weißen Stein oder Lammerskopf. Es wäre mit einem Minderertrag von über 30% zu rechnen. Dem Windatlas BW lässt sich entnehmen, dass nur Windräder auf den Höhen wirtschaftlich wären. Und ja, dafür müssen Bäume gefällt werden, Tiere werden dadurch gestört, es wird in Lebensräume eingegriffen. Aber dafür bekommen wir sauberere Energie. Naturschutz ist ein wichtiges und gerechtfertigtes Anliegen, aber ohne Klimaschutz kein Naturschutz und zum Klimaschutz gehören auch Windräder. Und zwar möglichst schnell und möglichst viele. Den Ausbau der Windenergie in der Region und den Fortschritt von laufenden Projekten zu verzögern, wäre fatal.
2024 ist das erste Jahr in dem die 1,5-Grad-Grenze überschritten wird und wir steuern stramm auf 3,1 Grad zu – auf einen Menschen übertragen bedeutet das dauerhaft 40,1 Grad Fieber! Aktuell tut kein einziger Staat genug, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Wenn wir auf dieses Jahr zurückschauen dann sollte uns klar werden, wie dramatisch die Folgen der Klimakrise schon jetzt und auch bei uns sind. Denken Sie an die Hitzewellen, an die Hochwasser, an all die Menschen, die daran in den letzten Monaten gestorben sind. Und an die unzähligen Naturkatastrophen, die sich schon seit Jahren in Regionen ereignen, die noch viel stärker von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind als wir. Ich möchte den Tod dieser Menschen nicht instrumentalisieren, aber ich möchte auch verhindern, dass sie vergessen oder banalisiert werden. Diese Menschen sind Opfer der Klimakrise geworden und wir diskutieren über 10-20 Windräder, weil wir deutsche Wälder schützen möchten.
Doch auch diese sind von den Folgen der Klimakrise massiv bedroht. Das Ergebnis der Bundeswaldinventur 2024 hat mich schockiert: Unsere Wälder stoßen mittlerweile mehr CO2 aus, als sie speichern können. Die Auswirkungen der Klimakrise sind hier bereits deutlich spürbar: Stürme, Dürren und Brände zerstören Vegetation und machen sie anfällig für Borkenkäferbefall, weshalb mittlerweile mehr Bäume absterben, als nachwachsen können. Die Schäden, die in Wäldern durch die Installation von Windenergieanlagen entstehen, sind im Vergleich dazu gering und müssen durch umfassende Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Ihr Nutzen für den Klimaschutz ist demgegenüber aber sehr groß: Wenn wir auf dem Odenwald einige rentable Windenergieanlagen installieren, leisten wir unseren Beitrag zur Energiewende, und damit auch zum Klimaschutz.
Klar, für eine Energiewende muss sich etwas ändern und ja, Veränderungen können unangenehm und angsteinflößend sein. Auch für mich. Deshalb engagiere ich mich für Klimagerechtigkeit. Deshalb bin ich bei Fridays for Future. Denn wir haben die Wahl, ob wir Veränderung einfach geschehen lassen oder ob wir sie aktiv mitgestalten. Ich bin mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass ein weiter-so nicht den Ist-Zustand aufrecht erhalten, sondern die Klimakrise befeuern wird. Wir können uns nicht für oder gegen Veränderung entscheiden. Wir können uns nur für ein bestimmten Zukunftsszenario entscheiden. Wenn wir uns alle gemeinsam, in jeder Kommune und in jeder Region, für den Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen und unsere eigene Energiegewinnung in Energiegenossenschaften und Initiativen aktiv mitgestalten, können wir dem Raubbau von fossilen Konzernen ein Ende bereiten. Um unsere Zukunft gemeinsam gerecht zu gestalten braucht es einen offenen und rationalen Diskurs, Demokratie und Diskussionen wie diese hier heute Abend. Aber wir dürfen uns auch nicht immer wieder in Kleinigkeiten verlieren, denn wie in dieser Rede klar geworden sein sollte, die Zeit drängt.
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